16. Oktober 2015
Am 16. Oktober 2015 fand in Osnabrück eine Demonstration unter dem Motto „Raus gegen Rassismus“ statt (LINK: Bericht bei os1tv). Wir dokumentieren die Rede von Achim Bigus
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter gegen Rassismus, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ich arbeite mit in der VVN-BdA. Das bedeutet „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“. Das Asylrecht im Grundgesetz war ja eine Konsequenz aus der Erfahrung vieler Deutscher, die vor der Verfolgung durch das Naziregime flüchten mussten. Mit dem Ende des Sommers scheint auch das „Sommermärchen“ vorbei zu sein – in der deutschen Flüchtlingspolitik ist eine neue Kälte zu spüren. Gestern noch war die öffentliche Diskussion geprägt vom Lob der „Willkommenskultur“ – trotz fremdenfeindlicher Anschläge und Aufmärsche. Die Kanzlerin entgegnete den Bedenkenträgern in der Bevölkerung und in ihrer eigenen Partei: „Wir schaffen das!“, und sogar die „BILD“-Zeitung heuchelte: „Refugees welcome“. Doch nun hat der Wind sich gedreht. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt, zumindest berichten das viele Medien. Sie leisten damit ihren Beitrag dazu, dass die Stimmung tatsächlich kippt. Die BILD-Zeitung fragt jetzt: „Frau Merkel, wie schaffen wir das?“ Im Mittelpunkt der Diskussion steht nicht mehr die Not der Flüchtlinge, sondern dort stehen jetzt die unbestreitbaren Belastungen, die mit ihrer Unterbringung und Integration auf Länder und Kommunen zukommen. In der etablierten Politik werden die Weichen neu gestellt – angesagt ist nicht mehr „Willkommenskultur“, sondern „Transitzonen“, Abschottung und Abschreckung. Ein deutliches Beispiel dafür sind die gestern im Bundestag beschlossenen Verschärfungen des Asylrechts. „No Lager“ hat bereits ausgeführt, worum es dabei im Einzelnen geht.
Hinter all diesen Maßnahmen steckt eine schlichte Logik: wenn man die Bedingungen für Flüchtlinge verschlechtert, werden sie vom Kommen abgeschreckt. Doch diese Logik ist nicht nur schlicht. Diese Logik ist menschenverachtend, und diese Logik ist auch falsch. Menschen, die für sich und ihre Kinder die Flucht über das Mittelmeer in Kauf genommen haben, Menschen, die die unzumutbaren Bedingungen an den Grenzen mancher Transitländer ausgehalten haben, diese Menschen lassen sich nicht von Sammellagern, Residenzpflicht und Sachleistungen statt Geld abschrecken. Hier geht es eben nicht um „Zuwanderung in unsere Sozialsysteme“, hier geht es um Verfolgung, Krieg und lebensbedrohende Not. Darum werden diese Menschen weiter kommen, und darum werden alle Verschärfungen nicht die Flüchtlingszahlen ändern, sondern nur die Lebensbedingungen der Flüchtlinge verschlechtern. Sie treten die Würde dieser Menschen mit Füßen. Im Grundgesetz steht aber nicht „die Würde jedes Deutschen ist unantastbar“; dort steht: „die Würde jedes Menschen“.
Die Unterscheidung in willkommene und unwillkommene Flüchtlinge trifft heute vor allem Menschen aus den Balkanländern, darunter viele Roma. Diese Länder wurden von der deutschen Politik zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Doch „in diesen ethnisch begründeten Staaten, die auch mit erheblicher diplomatischer Unterstützung Deutschlands und zuletzt auch mit dem völkerrechtswidrigen Krieg unter deutscher Beteiligung entstanden sind, ist… für Roma kein Platz. Stigmatisiert, ausgegrenzt und mittellos sich selbst überlassen, fehlt es ihnen dort an allem… Selbst physische Gewalt durch Polizei und Zivilisten ist an der Tagesordnung… Deutschland steht gegenüber den Nachkommen der Opfer des Holocaust an 500.000 Sinti und Roma in einer besonderen Pflicht. Nachkommen von jüdischen Holocaust-Opfern aus der zerfallenden Sowjetunion wurde wegen der Situation in den Nachfolgestaaten in den 1990er Jahren die Einreise und Niederlassung als Kontingent-Flüchtlinge erlaubt. Die historische Verpflichtung ist die gleiche.“ Denn: wer wird hier eigentlich abgewiesen? In vielen Fällen sicher die Nachkommen der Opfer der Naziverbrechen an den Sinti und Roma.
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, es ist weiter notwendig, Solidarität mit Flüchtlingen auf die Straße zu tragen. Es ist weiter notwendig, Flüchtlingen zu helfen, in welcher Form auch immer. Und es ist auch weiter notwendig, Flüchtlinge zu schützen – nicht nur gegenüber Nazis, Rechtspopulisten und anderen „besorgten Bürgern“, sondern auch vor der Abschiebung durch die Staatsorgane. Dies ist in Osnabrück in der Vergangenheit in 36 Fällen gelungen, durch die Mobilisierung vieler Menschen über die „Telefonkette gegen Abschiebungen“. Diese Telefonkette hat bisher 400 Mitglieder. Die Teilnehmerzahlen an einschlägigen Demonstrationen in den letzten Wochen zeigen da noch Luft nach oben. Darum hier zum Schluss mein Werbeblock für die Telefonkette: Bitte helft auch ihr mit bei der Verhinderung von Abschiebungen! Bitte meldet euch für den SMS-Verteiler!
Bitte holt an dieser Stelle Papier und Kuli aus der Tasche und schreibt euch auf, wie das geht: ihr geht ganz einfach auf die Startseite von Osnabrück-Alternativ, also www.osnabrueck-alternativ.de, dort findet ihr rechts neben anderen Links auch einen zur Telefonkette gegen Abschiebungen. Auf der Demo wurde dazu auch ein Flyer verteilt. Danke für eure Aufmerksamkeit!